Die Normalität von Konflikten
Konflikte sind an sich ein ganz normales Element im Miteinander. Wo immer Menschen kooperieren (müssen), treffen unterschiedliche
Meinungen, Bedürfnisse und Interessen aufeinander. Werden solche eigentlich normalen Konflikte nicht direkt am Anfang offen ausgetragen, werden die ursprünglichen Sachfragen mehr und mehr von Emotionen überlagert. Um das zu vermeiden gilt es , in einem ersten Schritt die Einschätzung kräftigen, dass Kritik nicht gemein, Streit nicht schlimm, Konflikt nicht von vornherein schlecht ist; dass das Offenlegen von Meinungsunterschieden und gegensätzlichen Interessen Voraussetzung ist für den gemeinsamen Erfolg; dass keine ≪Harmonie-Diktatur≫ gewünscht ist, die alle Verschiedenheiten und Andersheiten unterdrückt, sondern eine konstruktive Streitkultur.
- Leitbild mit geplanter Folgenlosigkeit
In vielen Unternehmen oder Organisationen werden Leitbilder oder Grundsätze für Führung und Zusammenarbeit erstellt. Das obere Management will auf jeden Fall nach Außen gut dastehen, meist aber ohne sich im eigenen Handlungsspielraum einschränken zu lassen. Dadurch wird verdecktes Konfliktpotenzial bewusst in Kauf genommen. Die Art und Weise, wie geführt wird und welches Verhalten von Führungskräften und Mitarbeitenden verlangt wird, bleibt absichtlich diffus. Die im Leitbild ausgewählten Grundprinzipien und Verhaltensanweisungen werden durch Relativierungen entschärft: Wir sind alle bemüht… wir verstehen uns im Prinzip… wir erwarten… die Umsetzung soll flexibel erfolgen… wir sind grundsätzlich gewillt… Alles wird bewusst so allgemein formuliert, dass nicht nachgehalten werden kann – und wohl auch nicht soll.
- Vorbeugen ist besser als heilen
Die meisten Konflikte müssten sich gar nicht so entwickeln, wenn die Beteiligten das Vorhandensein unterschiedlicher Interessen rechtzeitig ansprechen würden. Was für die Gesundheitspflege empfohlen wird, gilt auch im Management: Prophylaxe ist besser als Therapie.
Zum Beispiel am Ende jeder relevanten Zusammenkunft eine Feedbackschleife installieren mit allen Dimensionen, die die Effizienz eines Teams ausmachen. Dafür wird gegen Ende ein Zeitraum eingeplant. Die Fragen könnten lauten:
• Wie zufrieden bin ich mit dem heutigen Ergebnis?
• Wie zufrieden bin ich mit dem methodischen Vorgehen?
• Wie zufrieden bin ich mit der Vorbereitung?
• Wie gut konnte ich mich selbst entfalten?
Jeder beurteilt das Treffen auf einer Skala von 1 (hervorragend) bis 4 (total unzufrieden) – bewusst in einer geraden Zahl, damit man sich nicht in einer Zwischenebene ≪verschleiern≫ kann – und zeigt dem Team seine Bewertung. Das Ergebnis der einzelnen Fragen kommt in das Protokoll in der Aufzählung, nicht im Durchschnitt. Damit wird deutlich, ob und wenn ja wo ein Spannungsfeld vorhanden ist. So können potenzielle Konflikte bereits im Keim erstickt werden.
LITERATUR:
Doppler, K. & Mpahlwa, L. (2020). Die Logik der Anderen. Warum wir Andersheiten akzeptieren und verstehen müssen, um zukunftsfähig zu sein, Campus.
Glasl, F. (2020). Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führung,
Beratung und Mediation, 12. akt. und erw. Aufl., Freies Geistesleben