# 5 – Relativieren zum Selbstschutz

  • Der vorsichtige Test

Auch wenn dazu eingeladen wird, ganz offen und ehrlich seine Meinung kundzutun, gehen Sie am besten davon aus, dass negative Anschuldigungen im ersten Anlauf nicht unverblümt offen geäußert werden. Man wird zunächst in geeigneter Form testen, ob eine ehrliche Ansicht tatsächlich erwünscht ist, deshalb zunächst einmal anderen den Vortritt lassen oder zwar seine Bereitschaft zur Offenheit signalisieren, aber mit raffinierten Vorbehalten – und abwarten, wie darauf reagiert wird, z.B. »im Prinzip … grundsätzlich … eigentlich waren sich bisher alle überhaupt nicht einig. Keiner hat auf den Andern gehört«.

Beim ersten Nachfragen „wie kommen Sie denn da drauf“ ist in der Regel mit Verharmlosung oder Ausflüchten zu rechnen, zum Beispiel: »vergessen Sie die Verallgemeinerung … es müsste alles ein bisschen deutlicher …  das ist nicht so radikal gemeint«. Konsequenz: Klare Ansage, sich durch die  Offenheit nicht in Gefahr begeben zu wollen und lieber nicht mit der wirklichen Meinung des Anderen konfrontiert zu werden.

  • Mit Gelassenheit dran bleiben, um zu erkunden

Wenn Sie die Einschätzung des Anderen wirklich erfahren und verstehen wollen

geht das nicht ohne Geduld. Das würde bedeuten, von dem Anderen keine Begründung und Rechtfertigung verlangen „Wieso kommen Sie darauf…“sondern nur zuhören und einladend um Beispiele bitten. Wenn Sie ruhig und gelassen dranbleiben, wird Ihrem Gesprächspartner nach und nach klar, dass Sie wirklich an seiner persönlichen Meinung interessiert sind und dass sie ihn für seine Offenheit nicht bestrafen werden. Früher oder später öffnet sich die Schleuse, was Sie wiederum an der entsprechenden Formulierung ablesen können: »Wenn Sie es wirklich wissen wollen…«                                          

  • Werte, Leitbild, Unternehmenskultur                                                                                         

Ein Wertegerüst formulieren ist eine notwendige, aber nicht ausreichende

Voraussetzung. Es gibt auch keinen Wegweiser, der den Weg geht, den er      anzeigt. Entscheidend sind konkrete Themen / Projekte zu den einzelnen Werten, die einen wahrnehmbaren Unterschied zum aktuellen Status quo aus- und die formulierten Werte erlebbar machen.

Um diese schonungslose Umsetzung der Werte zu vermeiden, flüchten sich nicht wenige Unternehmen und Manager in ein Leitbild, das an entscheidenden Stellen geballt ist mit Relativierungen. An den entscheidenden Stellen wird geradezu akribisch um Formulierungen gerungen, die einen vieldeutigen Spielraum gewährleisten, um nicht nach der konkreten messbaren Umsetzung der Werte beurteilt zu werden: „Wir sind alle bemüht … wir verstehen uns prinzipiell … wir erwarten … die Umsetzung soll flexibel erfolgen„. Alle sind insofern zufrieden, weil damit ein Scheinbild vorhanden ist, hinter dem man glaubt, die fehlende Bereitschaft zur nötigen Veränderung verbergen zu können.

Wer der Meinung ist, er relativiere und beschönige, um die Betroffenen zu schonen, sitzt mit hoher Wahrscheinlichkeit einer Selbsttäuschung auf. Es geht in Wahrheit nicht um die Betroffenen, sondern um ihn selbst. Wer ehrlich zu sich ist, weiß genau, dass er sich damit in erster Linie selbst schonen will. Er will bei den Betroffenen nicht als harter, rücksichtsloser Manager gelten, sondern als jemand, der sich »leider« zu diesem Vorgehen gezwungen sieht.